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Rolleiflex
SL 2000
mit digitalem Rückteil „SWVS“ (2017) An dieser Nuss habe ich lange geknabbert. Irgendwie war die an sich bestechende
Idee, mehrere
Filmsorten quasi gleichzeitig mit nur einer Kamera verwenden zu
können, dann
doch nicht für so viele Fotografen interessant. Oder sie war,
wie im Fall der
Rolleiflex, schlicht zu teuer. Ich hatte zur SL 2000 auch immer ein
gespaltenes Verhältnis.
So toll sich die Eigenschaften anhören, die Kamera ist und
bleibt ein
unhandlicher und auch noch schwerer Klotz. Dennoch ist die Kamera ein Meilenstein und
dazu noch einer,
der – ungewollt aber doch – aus der analogen Zeit
in die digitale Zukunft weist.
Sogar Rollei hatte das erkannt und schon 1987 ein digitales
Rückteil gezeigt, zwar
damals mit einem winzigen ½“ Sensor mit
lächerlichen 0,3 Megapixeln und
Diskettenlaufwerk als Speichermedium – aber immerhin, 5
Punkte für Gryffindor
allein für den Versuch! Ach, wenn alles anders gekommen
wäre… Wenn Rollei nicht Pleite gegangen
wäre oder wenn die neuen
Besitzer andere Prioritäten gesetzt hätten, dann
hätten wir vielleicht eine
Autofocus Version der 3003 gesehen mit Objektiven von Zeiss (und Zeiss
wäre dann
vielleicht nicht mit Yashica zu neuen Autofocus Ufern aufgebrochen). Heute noch wäre solch ein
Kamerasystem faszinierend, man
hätte die (relativ) kostengünstige
Möglichkeit, seine Kameraausrüstung durch
den Kauf eines aktuellen Digitalmagazines auf den letzten Stand zu
bringen,
Sportfotografen hätten das neueste Gehäuse mit
blitzschnellem Autofocus,
Landschaftsfotografen den höchstauflösenden Sensor
aber vielleicht ein altes SL
2000 Gehäuse und Menschen wie ich, die sehr gern gelegentlich
einen Diafilm
verknipsen, täten das einfach, mit ihrer ewig jungen
Rolleiflex. Alles Quatsch und Träumerei! Da es aber mindestens nett wäre,
den Finger heben zu können
und sagen zu können „Ich habe aber
eines…“ ging mir die Idee eines solchen
Digitalmagazines nicht mehr aus dem Kopf, besonders nachdem Sony die
Fotowelt
2010 mit den NEX Kameras beglückte und einen relativ
großen APS-C Sensor in
einem sehr kleinen und recht preiswerten Gehäuse unterbrachte.
Könnte man
daraus etwas basteln? Etwas, das die Digitaltechnik im Gehäuse
eines SL 2000
Magazines verstaute, ohne die Verwendung der Kamera mit Film und einem
anderen
Magazin zu beeinträchtigen? Schon beim Betrachten der Sony wird klar,
dass das keine
leichte Aufgabe ist. Der vor dem Sensor liegende Verschluss der NEX
kann seine
Aufgabe an der SL 2000 nicht mehr wahrnehmen, da der Sensor ja in der
Filmebene
liegen muss und sich davor schon der Verschluss der SL 2000 befindet.
So würde
also der Digitalsensor zwar das Bild aufnehmen, die Scharfstellung und
Zeitenbildung aber Sache der Rollei bleiben. Die erste Sony NEX Kamera (eine NEX 3 mit
14 Megapixeln) fiel
mir als Bastelkamera 2014 in die Hände und ich habe sie mit
Begeisterung
zerlegt. Es ist bemerkenswert, wie wenige Komponenten letztlich in
dieser
Kamera sind, wie hochintegriert sie ist. Als problematisch stellte sich bald
heraus, dass der Sensor
nicht ohne weiteres in die Filmebene an der Kamera zu bringen ist,
leider eine
Vorausaussetzung für scharfe Bilder. Um den Sensor
genügend weit nach vorn zu
bringen, muss der etwas über 24mm hohe Rahmen bearbeitet
werden, der leider aus
einer Art Keramik besteht. Daraus ergibt sich auch, dass eine Version
mit
tatsächlich 24x36mm großem Sensor (einer Sony A7
beispielsweise) reines
Wunschdenken ist – jeder Sensor dieser
Größe hätte zumindest einen kleinen
Rahmen drum herum und ein
Schutzglas davor, wodurch es eben nie und nimmer möglich
wäre, den Sensor weit
genug nach vorn zu bekommen. Es ist alles sehr knapp bemessen, obwohl
die tatsächliche
Sensorfläche ja nur halb so groß wie 24x36 ist. Die
flexiblen Leiterbahnen sind
sehr kurz, es gibt also wenig Spielraum für das Umsortieren
der Komponenten. Ich habe gefeilt und gefeilt und gefeilt
und dann war der
Sensor kaputt und alles wanderte in einen Karton und aus dem Blick. Dann habe ich es mit einer weiteren Kamera
erneut versucht,
mit gleichem Ergebnis… Inzwischen hatte jemand anderes etwas Ähnliches versucht und hinbekommen, auf Basis einer Konica Sucherkamera (https://frankencamera.wordpress.com/). Leider ist derjenige mit seinem Kickstarter Folgeprojekt eines Leica M3 Umbaus ziemlich auf die Nase gefallen, bzw. wohl diejenigen, die ihm dafür Geld gegeben hatten. Diesem Kollegen hier (https://digitalfilmcams.wordpress.com/) ist es gelungen, ein Nex 3 Gehäuse an eine Nikon SLR anzusetzen. Es ist lustig zu lesen, wie er mit den gleichen Problemen zu kämpfen hatte.Nun, noch ein viertes
Sony Gehäuse wollte ich nicht ruinieren, ich habe statt dessen
ein ebenso preiswertes
Samsung NX 1000 Gehäuse probiert (mit immerhin 20 Megapixeln),
das leichter
umzuarbeiten war und schließlich auch gut zu Rollei passt,
ihrem ehemaligen
deutschen Zukauf. Hier hat der Sensor ebenfalls APS-C Maße
und sein Rahmen muss
auch bearbeitet werden, er ist aber wesentlich weicher und kommt meinen
Bastelmöglichkeiten deshalb mehr entgegen. Immerhin habe ich
erstmals
maschinell geschliffen… Hier der Sensor montiert im Magazin. Die
Platte auf der der
Sensor sitzt und die ihn gegen die Filmführung an der Kamera
drückt ist aus
Pappe – ein Kompromiss zwischen Steifigkeit und
Elastizität. Die Position in
der Bildebene musste mit Streifen aus Film und Tesafilm noch um einige
Zehntel
korrigiert werden – das Weglassen des AA Filters hatte
für eine erhebliche
Abweichung der Fokusebene gegenüber dem (aus dem
Auflagemaß) errechneten Wert
gesorgt (oder ich hatte mich schlicht verrechnet…). Eine weitere Einstellmöglichkeit
war auch noch im Magazin
unterzubringen, nämlich die der Filmempfindlichkeit, die die
Rollei für die
korrekte Zeitenbildung ja braucht. Im Original ist an der linken
Magazinseite
ein Stufenwiderstand, den ich entfernt und zuerst durch einen variablen
Widerstand ersetzt habe. Dann bin ich aber doch den ganzen Weg
gegangen und habe die
originale Einstellung auf die andere Seite verpflanzt, dorthin wo sonst
der
Knebel für die Bewegung des Filmeinsatzes sitzt. Das
„Rollfilm“ Symbol ist
jetzt der Index für die Filmempfindlichkeit. Funktional war der Plan ansonsten so:
- Einschalten von Rolleiflex und
digitalem
Rückteil
- Scharfstellen und Blendenwahl an der
Rolleiflex
- Auslösen des
Digitalrückteiles auf „B“ oder z.B.
4 Sekunden - Bildausschnitt wählen und Auslösen an der Rolleiflex Wenn eine Belichtungskorrektur
gewünscht wird, kann man das
an der Rolleiflex erledigen oder (schneller) den Belichtungsspeicher
verwenden.
Wenn die Empfindlichkeit am Digitalrückteil geändert
wird, muss man daran
denken, dies ebenfalls am ISO Stellrad des Magazingehäuses
nachzuvollziehen. Schön wäre gewesen, das
digitale Rückteil auch über die
Kamera auslösen zu können. Unmöglich ist das
vielleicht nicht, beide Geräte
lassen sich ja im Prinzip elektrisch auslösen, da gehe ich
vielleicht nochmal
ran. Solche Sachen wären
natürlich für den Hersteller keine
Hürden - für mich als Bastler aber schon. Ich bin
letztlich darauf angewiesen,
den analogen und digitalen Komponenten „vorgaukeln“
zu können, alles sei normal
und keine „Störung“. Auf die
Funktionsabläufe in der Samsung Elektronik habe
ich eben keinerlei Einfluss. Der Bildausschnitt ist durch den kleineren
APS-C großen
Sensor nicht mehr der, den der Sucher darstellt, er ist etwas
größer als das graue
„Messfeld“ auf der Einstellscheibe. Hier sind die – nur etwas
misslungenen – APS-C Markierungen, die ich mir auf die
Einstellscheibe gemacht
habe. Theoretisch also alles machbar, praktisch
aber war eine ganz
Menge Zeug im Gehäuse unterzubringen… Und dann, sehr aufregend, das erste
Testbild, vermutlich das
erste digitale Bild mit dieser Kamera diesseits des Sony Mavica
Rückteiles von 1987. Hier noch weitere Gehäuse und
Verkleidungsteile vor ihrer
Montage: Um den Sensor bei Nichtgebrauch zu
schützen habe ich ihm eine
Abdeckung gebastelt: Interessant ist noch, dass der blaue
Schutz- und „Anti
Alias“ Filter vor dem Sensor natürlich wegfallen
musste, er wäre mit dem
Rolleiflex Verschluss kollidiert. Damit ist auch die
Staubentfernungs-Funktion
der Samsung dahin, die das blaue Glas mittels eines kleinen Ultraschall
Aktuators vibrieren lässt. Da
der Sensor in diesem Magazin nun offen daliegt, kann man
ihn im Fall von Verschmutzung einfach abwischen (keine Sorge, ein
dünnes Glas
ist ja noch vor den Photosensoren…).. Man muss das auch tun,
weil der fehlende Filter auch zur Folge hat, dass sich
Staubkölrner nun wesentlich näher an der
Schärfenebene
der Photosensoren anlagern können
und knackscharf
abgebildet werden. Wenn man im RAW Format fotografiert, kann
man die
Farbabweichung durch das fehlende blaue Glas einwandfrei ausgleichen.
Die Samsung erlaubt
auch die Korrektur der Weißbalance bei JPEG Aufnahmen, jedoch
reicht der
Bereich leider nicht aus, das fehlende blaue Filter zu kompensieren. Das blaue Glas ist aber nicht nur ein AA
Filter sondern auch
ein Infrarot Sperrfilter. Auf diesem Testbild kann man schon sehen,
was für üble
Sachen auftreten können. Während die
Weißbalance an sich einigermaßen stimmt,
kommt der rosa Streifen links von Neonlicht im Nachbarraum. Ganz übel wird es wenn man vor
die Tür tritt… Pflanzengrün reflektiert einen
hohen Anteil infraroter
Frequenz, die wir Menschlein nicht sehen können, wohl aber der
digitale Sensor.
Fehlt nun der IR Sperrfilter wie hier, geraten die Farben
gänzlich aus
den Fugen, wie hier: Glücklicherweise gibt es separate aber leider teure IR Sperrfilter (B&W 486), die dieses Problem beheben können, so dass auch die Grünwiedergabe wieder stimmt. Im Prinzip müsste bei feinen
Strukturen auch gelegentlich
Moirée auftreten – ich bin gespannt. Das fertige Teil sieht so aus: Es wiegt 275 Gramm, im Vergleich zum
Filmmagazin also sogar 50
Gramm weniger, obwohl es einen kompletten (nicht mehr
benötigten)
Schlitzverschluss als Ballast enthält, einen Akku und ein
Display. Das Filmmagazin müsste
aber auch nicht so schwer sein – es ist im Kleinen ein
Sinnbild für den
Niedergang der Firma Rollei. Es enthält so unsäglich
viel Einzelteile und ist so
offensichtlich nicht
kostengünstig
konstruiert, es ist wahrlich kein Wunder, dass das Magazin so viel
kostete wie woanders
eine ganze Kamera oder zwei (abgebildet sind nur die Teile, die ich nicht wiederverwendet habe!). Hätte Rollei gegen Sony oder
Samsung bestehen wollen, sie
hätten mehr lernen müssen als nur Autofocus und
Sensortechnik... Zum versöhnlichen Abschluss ein
paar Kölner Sonntagmorgen Bilder: Die folgenden Bilder sind von einem abendlichen Besuch des "Landschaftspark Duisburg Nord" Industriedenkmal Geländes: Bleibt die Frage, wofür
„SWVS“ wohl stehen könnte? Vielleicht „System With Variable
Sensors“? Oder „Seitlich War Viel Stauraum“? Nachtrag - Gemeinsamer
Auslöser für Kamera und Rückteil Einen gemeinsamen Auslöser
für Rolleiflex und digitales
Rückteil zu fabrizieren, erwies sich als komplizierter als
angenommen. Im
Prinzip lassen sich beide Teile durchaus elektrisch auslösen,
die Rolleiflex
über die Fernbedienungsbuchse an der linken Seite und das
Samsung Rückteil über
seine USB Buchse. Leider ergaben sich gleich
mehrere Probleme. USB Fernauslöser für die
Samsung sind für wenige Euro zu
bekommen, der Stecker aber schaut an der Seite erheblich hervor, was
sowohl
hässlich als auch unpraktisch ist. Beim Versuch, den Stecker
so zu kürzen, dass
die Kabel bereits im Innern des Rückteiles verlaufen,
entdeckte ich, dass er
eine kleine Platine mit SMD Bauteilen enthält – das
Fernauslöser Handstück enthält
nichts außer dem Schalter. Ich habe in mehreren
Anläufen zwischen dem
eigentlichen Steckerteil und der kleinen Platine Kabel
eingelötet – eine
schrecklich fummelige Arbeit. Die Fernauslösung der Rolleiflex
war dagegen einfacher. Als
einmal klar war, welcher der Kontakte den Belichtungsmesser einschaltet
und
welcher den Verschluss auslöst, ratterte die Kamera beim
Verbinden der
entsprechenden Kabel munter drauflos. Allerdings war auch klar, dass es
einen
zweistufigen Auslöser geben musste. Man kann zwar die
Belichtungsmesser- und
Auslöser Kontakte gleichzeitig schalten, leider löst
die Kamera dann aber bei
angebrachtem Rückteil immer sofort aus, sobald auch nur einer
der Kamera-Auslöseknöpfe halb gedrückt wird.
Und zweipolig
musste der Auslöse Schalter auch sein, da
beide Teile mit eigener Spannungsversorgung (und unterschiedlichen
Spannungen)
arbeiten. Einen zweistufigen und zweipoligen Taster
… gibt es aber
nicht, zumindest nicht in Miniaturausführung. Nach einigen
vergeblichen Anläufen
habe ich aus zwei hintereinander montierten zweipoligen Tastern etwas
gebastelt
(Auslösung von unten) – der erste Taster schaltet
den Belichtungsmesser ein und betätigt beim
weiteren Durchdrücken den zweiten Taster, der Kamera und
Rückteil auslöst.
Glücklicherweise ist die Auslöseverzögerung
der Samsung geringer als die der
Rolleiflex (in der ja eine Spiegelmechanik arbeiten muss), so
dass
beide gemeinsam ausgelöst werden können. Wenn die
Rolleiflex mit Spiegelheben
und Verschlussöffnen fertig ist, wartet der Samsung Sensor
schon auf Photonen… Der Rest war keine große Sache
mehr. Die kryptischen
Buchstaben SWVS mussten weichen aber sehr viel
größer ist das Teil letztlich
gar nicht geworden – und viel leichter zu bedienen.
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